Krebs und Sexualität – wie und warum Deine Krebserkrankung Auswirkungen auf Deine Sexualität und Deine Lust hat oder dafür sorgt, dass Sexualität zur Last wird. Vielleicht hast Du Dir darüber auch schon mal Gedanken gemacht, weil Du einfach keine Lust hast. Weder auf Sex noch auf irgendetwas, das mit Sexualität zu tun hat.
Vielleicht hast Du das Gefühl, dass etwas mit Dir nicht stimmt?
Vielleicht ist es ein Thema, das Deine Beziehung belastet? Weil Du in einer Partnerschaft lebst und Dein Partner*in Lust auf Sex hat, sich Intimität wünscht, aber Du Dir das gerade gar nicht vorstellen kannst.
Vielleicht fühlst Du Dich mit Deinen Sorgen und Ängsten ziemlich alleine, weil so wenig darüber gesprochen wird.
Damit bist Du nicht alleine. Mir ging und geht es bis heute so, dass meine Krebserkrankung Auswirkungen auf mein Sexualleben hat. Krebs und Sexualität, ein Thema, das viele betrifft, über das zu wenig gesprochen und aufgeklärt wird. Leider wird das Thema von den behandelnden Ärzt*innen meist nicht angesprochen.

Mit diesem Blogartikel möchte ich Dir die Möglichkeit geben zu verstehen, warum Du Dich mit Lust und Sexualität gerade so schwertust. Ich möchte Dir einen Überblick geben, was die häufigsten Gründe dafür sind.
Ich möchte Dich ermutigen, Dich mit diesem wichtigen Thema zu beschäftigen und darüber zu sprechen.
Zum Schluss bekommst Du noch ein paar Ideen an die Hand, was Du selbst tun kannst, damit aus der Last wieder Lust wird. Damit Du Dein Sexualleben trotz Deiner Krebserkrankung genießen kannst.
Ganz wichtig vorneweg, Sexualität ist ganz unabhängig davon, ob Du in einer Partnerschaft bist oder nicht. Sexualität fängt bei Dir an, noch bevor ein Partner oder eine Partnerin ins Spiel kommen. Genau hier liegt ein wichtiger Schlüssel zurück zu einem erfüllenden Sexualleben nach/mit Deiner Krebserkrankung und ein weiteres Tabu…

Die weibliche Sexualität ist in unserer Gesellschaft (noch immer) an vielen Stellen ein Tabuthema, schon ohne Krebserkrankung. Wenn es um Sex und Sexualität geht, ist in unserer Gesellschaft fast alles auf männliche Sexualität ausgelegt, auch unsere »Normen« und Vorstellungen sind meist so geprägt.
Weibliche Sexualität ist deutlich weniger erforscht.
Oft kennen wir selbst unseren Körper nicht gut, weil sich und die eigene Sexualität kennenlernen bei Frauen (lange) Tabu war.
Wenn Du Dich und Deinen Körper nicht gut kennst, wird es auch in einer Beziehung, erst recht nach einer Krebserkrankung schwer zu sagen, was sich für Dich gut anfühlt.
Hormone, Nervensystem und Fantasie: Die Zutaten der Lust
Sexualität ist mehr als Sex, für ein erfüllendes Sexualleben braucht es keine Beziehung. Wie genau das aussieht, ist individuell, vergiss vermeintliche »Normen« die Du dazu im Kopf hast. Vergleich Dich nicht mit anderen, wichtig ist, was sich für Dich gut und richtig anfühlt!
Damit überhaupt Lust entsteht, laufen im Hintergrund auf verschiedenen Ebenen einige Dinge prallen. Dabei spielen Vorstellungen, Verhaltensweisen und Emotionen genauso eine Rolle wie körperliche und psychische Reaktionen. Es ist ein komplexes System und Zusammenspiel aus verschiedenen biologischen Prozessen und Organen, das Lust und Sexualität bestimmt.
Dazu gehören Hormone genauso wie erogene Zonen zum Beispiel an Klitoris, Vulva und Brust. Das Nervensystem, das Reize weiterleitet, ist genauso wichtig wie unser Gehirn. Neben dem Körper kann auch unser Kopf, mit Bildern und erotischen Fantasien viel ausrichten.
Das ist nur ein sehr kurzer Überblick, aber ich denke, er reicht an dieser Stelle.
In so einem komplexen System, in dem so viel zusammen kommt, kann es an verschiedenen Stellen „Störungen“ geben.
Vielleicht hast Du jetzt schon eine Ahnung, dass Deine Krebserkrankung auf einige dieser Bereiche Auswirkungen hat.
Von Hormonchaos bis Fatigue: Krebs und Sexualität, ein Blick auf die häufigsten Ursachen für Libidoverlust
Die Sexualität nach einer Krebserkrankung kann auf unterschiedlichen Ebenen beeinflusst sein. Beeinträchtigungen lassen sich verschieden einteilen und z.B. nach körperlichen, psychischen und sozialen Faktoren unterscheiden.
Ich möchte mit Dir hier auf die häufigsten Probleme in Bezug auf Sexualität mit/nach einer Krebserkrankung eingehen, ohne sie dabei einzuteilen.
Hormonchaos
Auswirkungen auf Deinen Hormonhaushalt kann z.B. eine Chemotherapie, je nach Medikament haben. Liegen die Eierstöcke im Bestrahlungsgebiet, wirkt sich das ebenfalls auf das Hormonsystem aus. Auch eine Antihormontherapie, die vor allem bei Östrogen sensiblen Tumoren eingesetzt wird, wirkt sich hier aus.
Die Behandlungen können dazu führen, dass Deine Eierstöcke nicht mehr wie vorher funktionieren. Dein Zyklus wird unregelmäßig oder Du kommst verfrüht in die Wechseljahre.
Das Hormonsystem ist für Lust und Sexualität wichtig, gibt es hier Verschiebungen im Hormonhaushalt kann das, große Auswirkungen haben und zu Libidoverlust (Lustlosigkeit) führen.
Große seelische Belastung
Eine Krebserkrankung ist eine große seelische Belastung. Ängste und Sorgen können dazu führen, dass der Kopf nicht abschalten kann. Etwas überspitzt ausgedrückt, wenn es für Dich ums Überleben geht, hast Du keine Lust auf Sex. Klingt eigentlich logisch, oder?
Solche Ängste und Sorgen sind Stress und ein so hohes Stresslevel und weibliche Sexualität passen nicht so gut zusammen.
Erschöpfung und Fatigue
Starke Erschöpfung oder Fatigue beeinflussen den Alltag in vielen Bereichen. Auch für Sexualität fehlt dann häufig die Energie. Schon der Alltag an sich kostet viel Kraft, überfordert an vielen Stellen. Für alles Weitere, auch schöne Dinge wie Zärtlichkeit bleiben keine Energiereserven mehr übrig.
Verändertes Körperbild, Körpergefühl und Sensibilitätsstörungen
Veränderungen im Körperbild und Körpergefühl, ein großes Thema, das bei ganz unterschiedlichen Krebserkrankungen eine Rolle spielen kann. Magst Du Dich selbst, mit Deinem veränderten Körper nicht, kannst Du ihn so wie er ist nicht annehmen, wird es auch mit Lust und Sexualität schwer.
Das spielt nicht nur dann eine Rolle, wenn Brust, Vulva, Gebärmutter, Eierstöcke, also die weiblichen Geschlechtsorgane betroffen sind.
Auch wenn andere Körperteile fehlen, ein künstlicher Ausgang dazu gekommen ist, der Körper sich sehr verändert hat, große Narben da sind, die Sensibilität einschränkt ist oder die Sensibilität Deiner Hände durch die Chemo gestört ist, kann das, große Auswirkungen haben. Dann möchtest Du Dich vielleicht weder zeigen noch berühren oder berühren lassen, weil es sich nicht gut anfühlt.

Generelles Unwohlsein
Sich selbst nicht wohlfühlen, mit sich und der Situation kann Auswirkungen auf Dein Lustempfinden haben. Auch, weil während der Behandlungen die Intimsphäre oft verletzt wird. Viele „Fremde“ schauen auf den Körper, fassen Narben an. Oft bist Du dem ausgeliefert, es wird angefasst und geschaut, oft ohne zu fragen und darauf zu achten, dass Du Dich in der Situation wohlfühlst.
Schmerzen
Schmerzen können ganz verschieden Gründe haben. Egal ob sie von einer OP kommen, vom Tumor, als Nebenwirkung von Medikamenten und Therapien, die Du bekommst/bekommen hast oder ob es Phantomschmerzen sind. Sie schränken Dich und Deine Lust auf Sexualität und Sex ein. Gerade bei OPs im Bereich der Vulva sind Schmerzen beim Sex ein großes Thema. Aber auch trockenen Schleimhäute durch Chemo und Medikamente können zu Schmerzen beim Sex führen.
Angst
Angst kann auf verschiedenen Ebenen eine Rolle spielen. Sie ist aber in jedem Fall hinderlich, wenn es um die Entstehung von Lust auf Sexualität geht. Beispiele sind u.a. die Angst vor Schmerzen, Angst an (traumatische) Situationen erinnert zu werden durch Berührungen an bestimmten Stellen, Angst vor der Reaktion des Partners/Partnerin, Angst vor Sensibilitätsstörungen, Angst etwas falsch zu machen, Angst nicht mehr zu genügen…
Beziehungsprobleme
Vielleicht waren auch vor Deiner Krebserkrankung schon Beziehungsprobleme da, die jetzt sichtbarer werden. Eine Rollenverschiebung während der Therapie, gerade wenn Dein Partner/Partnerin in eine pflegende Rolle gerutscht ist, kann ebenfalls zu Beziehungsproblemen führen. (Mit dem Pfleger/Pflegerin möchte man nicht unbedingt ins Bett)
Verbesserungen im Alltag: Was Du für Deine Sexualität tun kannst
Zuallererst geht es hier, wie so oft darum, für Dich selbst anzunehmen, was gerade ist. Du kannst Dir selbst eingestehen, dass Du gerade keine Lust auf Sexualität und Sex hast. Das, dass etwas mit Deiner Krebserkrankung zu tun hat und einfach gerade so ist.
Vielleicht hast Du beim Lesen für Dich erkannt, was etwas mit Deiner Unlust auf Zärtlichkeit und Sexualität zu tun haben könnte.
Vielleicht ist bei Dir auch das Gefühl aufgekommen, dass gerade andere Dinge dran und wichtig sind. Dann schieb das Thema noch ein bisschen nach hinten, aber vergiss es nicht und komm an andere Stelle darauf zurück, wenn es sich nicht von selbst erledigt.
Grundsätzlich gibt es Faktoren, die sich eher fördernd oder hemmend auf unsere Sexualität auswirken, ich habe Dir hier ein paar aufgeschrieben. Sie sind unabhängig von einer Krebserkrankung. Vielleicht findest Du hier etwas, dass Du tun kannst, um die Rahmenbedingungen zu verbessern.
Zu den hemmenden Faktoren zählen u.a.:
- Hoher Stress, Scham oder Ängste
- Geldsorgen
- Überforderung Alltag privat u.a. beruflich
- Kleine Kinder, v.a. wenn sie nicht durchschlafen
- Keine Zeit zum Entspannen und Abschalten
- Keine Rückzugsmöglichkeiten für Intimität
- Kulturell Prägungen zu vermeintlichen „Normen“
- Negative sexuelle Erlebnisse
- Negative Reaktionen der/ des Partner/in
- Negatives Körperbild
Fördernde Faktoren:
- Ausgewogenes Verhältnis zwischen Stress und Entspannung
- Zeiten zum Regenerieren
- Zeit als Paar
- Unterstützung aus dem Umfeld
- Rückzugsräume für Intimität
- Positives Körperbild
- Positive Erfahrungen mit Sexualität
- Positive Reaktionen der/des Partner/in
Du siehst es gibt eine Vielzahl von Faktoren die Deine Lust auf Sexualität beeinflussen können
Krebs und Sexualität – Entdecke neue Wege

Ein wichtiger erster Schritt ist, mit Deinen Ärzt*innen, mit Therapeut*innen, Partner*in, anderen Betroffenen, einer Freundin über das Thema zu sprechen. Es gibt auch Sexualtherapeutinnen, die sich nur mit diesen Themen beschäftigen.
Finde heraus, was Deine Lust beeinträchtigt. Wenn Du weißt, was Dich beeinträchtigt, kannst Du gezielt etwas tun. Es nutzt nichts, eine Narbe mit einem schönen Kleidungsstück zu verstecken, wenn die Narbe nicht das eigentliche Problem ist.
Finde für Dich heraus, was Dir wichtig ist in Sachen Sexualität, was gerade für Dich geht und was sich gut anfühlt oder was eben nicht. Deine Sexualität – Deine Regeln. Wenn Du in einer Beziehung bist, sprich unbedingt mit Deinem Partner*in darüber.
Es kann in einer Beziehung auch helfen, Verabredungen zu treffen darüber, was tabu ist. Ihr könntet z.B. verabreden, dass es Zärtlichkeiten gibt, aber kein Sex. Oder dass bestimmte Stellen Tabu sind. Vielleicht kannst Du so lernen, wieder Nähe und Zärtlichkeit zuzulassen, weil es klare Absprachen gibt und Du keine Angst haben musst, dass „mehr“ passiert.

Deine Lust und Dein Sexualleben werden nach Deiner Krebserkrankung vielleicht anders sein als vorher. Nimm die Reise an und entdecke Dich und Deine Sexualität neu. Entdeckt Euch und Eure Sexualität als Paar neu.
Scheu Dich nicht davor, Neues auszuprobieren oder Dich beraten zu lassen. Nutze Hilfsmittel, es gibt so vieles über Gleitgel, schöne Unterwäsche, die Narben verdeckt und Spielzeug in vielen Variationen. Es gibt tolle kleine Sex-Shops, die individuell beraten und Ideen geben können. Probier es aus.
In den folgenden Broschüren findest Du noch mehr und detailliertere Informationen:
Krebsinformationsdienst – Weibliche Sexualität und Krebs
Medicline – Sexualität und Krebs
Östereichische Krebshilfe – Sexualität und Krebs
Frauenselbsthilfe nach Krebs – Krebs und Sexualität
Ich hoffe, ich konnte Dir zeigen, dass das Thema Krebs und Sexualität ein großes ist und Du nicht alleine damit bist. Du hast hoffentlich den Mut bekommen, Dich mit Deiner Sexualität auseinanderzusetzen und darüber zu sprechen.
Es kann immer Phasen geben, in denen es besser oder nicht so gut läuft. Lass Dir Zeit, geh Dein Tempo!
Lass Dich nicht von dem, was Medien uns suggerieren, leiten, es geht um Dich, es ist Deine Sexualität, Deine Regeln und die sind einfach individuell!
Alles Liebe für Dich
Mara
P.s. Melde Dich gerne hier für meinen Impulsletter an, wenn Du keinen Blogartikel und keine Neuigkeiten verpassen möchtest. Außerdem erhältst Du immer wieder Impulse rund um das Leben mit uns nach einer Krebserkrankung.